Durch den Einfluss des Menschen sind nicht nur Tierarten in der Gefahr. Wie die Wissenschaft heute annimmt, sind global 2 von 5 Pflanzenarten vom Aussterben bedroht. Ein Team von Forschern unter Leitung des Deutschen Zentrum für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv) und der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg hat jetzt nachgewiesen, dass die Artenvielfalt der Pflanzen auch in Deutschland immer weiter abnimmt.
Dabei untersuchten die Wissenschaftler neben der Vegetation im Hochgebirge auch artenreiche Wiesen des Tieflands und Wälder. Sie fanden heraus, dass sich einige Pflanzenarten durchsetzen und damit andere verdrängen. Den Grund sehen die Forscher im menschengemachten Klimawandel und dem hohen Stickstoffgehalt des Bodens vielerorts. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher im Fachjournal „Ecology Letters„.
Vor allem kleine Pflanzenarten verschwinden
In ihrer Analyse von drei sehr unterschiedliche Ökosystemen (Gipfelregionen im Hochgebirge, artenreiche Wiesen und Felder im Tiefland und die Vegetation in Wäldern) konnten die Biologen ein erschreckend ähnliches Ergebnis feststellen.
So sind es primär die kleineren Arten, die unter dem Einfluss des Menschen leiden. Demnach verschwanden Pflanzen, die auf nährstoffarmen Boden wachsen und kleine Verbreitungsgebiete haben, immer weiter, während Pflanzen mit einer weiten Verbreitung, die nährstoffreiche Lebensräume bevorzugen, ihre Lebensräume immer weiter ausdehnten. Nur in den Gipfelregionen nimmt die Zahl der Arten noch zu, dies ist allerdings durch den Klimawandel zu begründen, so die Forscher. Die steigenden Temperaturen lassen auch Pflanzenarten aus tieferen Gebieten im Hochgebirge Wurzeln schlagen. Dass sich dies wohl auch bald ändern dürfte, beschreibt der Erstautor Dr. Ingmar Staude in einer Pressemitteilung der iDiv: „Langfristig ist jedoch auch hier eine Verdrängung zu erwarten.“
Um ein repräsentatives Ergebnis zu erhalten, analysierten die Forscher Datensätze aus 19 europäischen Ländern. Auf 141 Flächen, auf denen wiederholt die Artenbestände dokumentiert wurden, wird das Auftreten und Verschwinden von insgesamt 1.827 Pflanzenarten beschrieben. Die Dokumentationen reichen teilweise bis in die 1940er-Jahre zurück. Und die Ergebnisse erschrecken die Forscher, wie Zweitautorin Prof. Henrique Peirera in der Pressemitteilung berichtet: „Beunruhigend ist auch, dass der Artenwandel in markant unterschiedlichen Ökosystemen ganz ähnlich abläuft, weshalb wir davon ausgehen müssen, dass wir es mit einem sehr weitverbreiteten Phänomen zu tun haben“.
Landwirtschaft und Industrie in der Verantwortung
Doch worin sehen die Wissenschaftler die Ursachen für diese Entwicklung? Ein Hauptgrund ist den Ergebnissen zu Folge die immer höhere Stickstoffbelastung im Boden. Diese stammt einerseits vom erhöhten Einsatz von Düngemitteln, andererseits aber auch durch Luftverschmutzung von Verkehr und Industrie. Dies spiegelt sich direkt in den Pflanzenarten wider: „Es gibt viele Arten, die Stickstoff verlässlich anzeigen, etwa die Brennnessel“, erklärt der Mitautor Dr. Harald Pauli in der Pressemitteilung.
Diese Bodenbelastung hat gleich zwei negative Effekte für die Pflanzenvielfalt. Erstens werden die kleinen, an nährstoffarme Böden angepassten Pflanzenarten, von Pflanzen wie Brennnesseln vertrieben, außerdem raubt das starke Wachstum der letzteren den kleinen spezialisierten Arten das Sonnenlicht, was zum Aussterben führt. Das hat Auswirkungen auf das gesamte Ökosystem, da fast jede Pflanze mit Insektenarten oder anderen Lebewesen in Verbindung steht.
Die Verdrängung von natürlichen Ökosystemen durch landwirtschaftliche Nutzung gilt dabei als Haupttreiber. Beunruhigend ist allerdings, dass diese Entwicklung auch fernab vom Einfluss des Menschen zu beobachten ist. Und dies könnte weitreichende Folgen haben. „Eine stetige Verdrängung charakteristischer Arten einzigartiger Ökosystemen durch weitverbreitete Arten mag zwar die lokale Artenvielfalt vielerorts aufrechterhalten, führt aber global gesehen dazu, dass immer mehr Arten vom Aussterben bedroht sind“, fasst Prof. Peirera zusammen.
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