Chemiker der Technischen Universität München haben gemeinsam mit anderen Forschern ein Verfahren entwickelt, mit dem das Treibhausgas Kohlendioxid gebunden werden könnte. Der neueste Weltklimabericht bewertet das neue Verfahren als global relevant.
Damit die Erderwärmung immerhin anteilig eingedämmt werden kann, braucht es dringend neue Strategien und Techniken. Im aktuellen Weltklimareport wird auf ein solches Verfahren aus Deutschland hingewiesen. Eine Technologie von der TU München bietet die Chance, die fortschreitende Erwärmung durch Kohlendioxid einzudämmen und dabei sogar noch nützliche Materialien zu produzieren. Der Schlüssel liegt in einer Algenart, die Treibhausgas aus der Atmosphäre, Kraftwerken und industriellen Abgasen aufnehmen kann. Aus dem aufgenommenen Stoff produziert sie Algenöl. In einem weiteren Schritt werden aus dem Algenöl Carbonfasern produziert. Erste Analysen bestätigen bereits jetzt die Wirtschaftlichkeit des Verfahrens.
Carbon aus Algen, das Material der Zukunft
Die grundlegenden technologischen Vorraussetzungen für das Verfahren wurden von Professor Thomas Brück und seinem Team vom Algentechnikum München geschaffen. Es gelang ihnen nicht nur Biosprit aus Algen herzustellen, sondern auch Polyacrylnitrilfasern (PAN) zu produzieren. Mit der Energie von Parabol-Sonnenspiegeln wurden im Anschluss CO2-neutral Carbonfasern hergestellt. Aus Carbon können hochfeste und sehr leichte Werkstoffe produziert werden. Wenn der Lebenszyklus der Carbonfasern abgeschlossen ist, wäre es sogar möglich, sie in leeren Kohleflöze zu lagern. So würden die enthaltenen Kohlendioxid-Äquivalente dauerhaft der Atmosphäre entzogen. „Mit der sicheren Einlagerung am Ende entziehen wir der Atmosphäre das Kohlendioxid auf Jahrtausende. Damit sind wir auch der Abtrennung und Speicherung von CO2 in der Erde eindeutig überlegen“, sagte Brücks Kollege Dipl.-Ing. Kolja Kuse über das bisherige Verfahren, Kohlendioxid einzulagern.
Auch wirtschaftlich relevant
Das Verfahren wurde außerdem von Prof. Dr.-Ing. Uwe Arnold und Dipl.-Ing. Kolja Kuse hinsichtlich der Anwendungsgebiete, der Wirtschaftlichkeit und der Umweltbilanz geprüft. „Das ist ein neues, klimafreundliches Wirtschaftsmodell, bei dem wir gängige Verfahren sinnvoll mit Innovationen kombinieren“, bewertete Arnold die Einsatzmöglichkeiten der Technologie. „Stellt man aus Kohlendioxid Kunststoffe her, so ist es über die Müllverbrennungsanlage nach wenigen Jahren Nutzung schnell wieder in der Atmosphäre“, ergänzte Kolja Kuse. Eine eingehende Prüfung ergab, dass sich das Carbon aus Algen nicht von herkömmlichen Kohlefasern unterscheidet und entsprechend in allen aktuell existierenden Produktionsprozessen zum Einsatz kommen kann. Ein neues Einsatzfeld könnte die Bauindustrie sein, immerhin ist sie für einen erheblichen Teil des weltweiten Kohlendioxidausstoßes verantwortlich. Das Carbon aus Algen könnte in Zukunft Baustoffe wie Zement einsparen oder sogar Baustahl ersetzen. Wenn man Granit mit dem Carbon kombiniert, ist die Herstellung von Trägern möglich, die so tragfähig wie Stahl und dabei leicht wie Aluminium sind.
Keine Konkurrenz mit der Landwirtschaft
Die positiven Beurteilungen sind eine gute Voraussetzung, um die Algentechnologie voranzutreiben und auszubauen. Was bisher nur im kleinen durchgeführt wurde, wird nun in einem größeren Maßstab gedacht. „Das System ist leicht auf große Flächen skalierbar“, sagte Brück und fügte hinzu, dass insbesondere in Südeuropa und Nordafrika Großanlagen in Zukunft denkbar sind. „Weltweit ließen sich Anlagen von der Größe Algeriens bauen und so beispielsweise die CO2-Emissionen der Luftfahrt ausgleichen.“ Bei den ganzen positiven Aspekten gibt es aber auch kritische Einschätzungen. Man befürchtet, die Großanlagen könnten mit landwirtschaftlichen Flächen konkurrieren, wie es beim Biogas der Fall ist. Die Annahme weist Brück jedoch zurück und verweist auf die regionalen Bedingungen. „Die Salzwasser-Algen gedeihen idealerweise in sonnenreichen Gegenden. Beispielsweise in Nordafrika gibt es genügend Flächen, auf denen Landwirtschaft nicht sinnvoll ist.“ Die Chancen, dass in Zukunft Carbon aus Algen weltweit zum Einsatz kommen, stehen also gut.