Überfischung kann offenbar weitaus größere Konsequenzen haben, als nur die Dezimierung der Fischbestände im offenen Meer. Wie Biologen aus Finnland im Wissenschaftsmagazin Science berichten, schrumpfen Lachse im Fluss Teno, wenn eine kleine Fischart in der Barentssee, die Lodde, übermäßig gefangen wird.
Überfischung der Lodde führt zu genetischen Veränderungen im Wildlachs
Die Forscher werteten in Ihrer Analyse die Aufzeichnungen über Fischerei-Aktivitäten der vergangenen 40 Jahre aus. Sie verglichen die Daten in diesem Zeitraum mit den genetischen Analysen der Lachsbestände. Dabei fiel den Wissenschaftlern der Turku Universität auf, dass es wohl einen Zusammenhang zwischen der Größe einer Population der Lodde in der Barentssee und dem Vorkommen eines bestimmten Gens der Lachse im Teno geben muss. Dieser führt dazu, dass die Lachse früher geschlechtsreif werden und dadurch weniger Zeit zum Wachstum haben. Der Zusammenhang war deutlich, da die Genvariante immer dann zu beobachten war, wenn die Lodde-Populationen in großen Umfang aus dem Meer genommen wurden. Solche Überfischungen kamen in dem besagten Zeitraum öfter vor.
Der Grund für die Größen-Veränderung liegt wohl am Lebenszyklus der Lachs-Fische. Nach ihrer Geburt im Süßwasser des Flusses gehen Sie auf Ihre Reise ins Meer, um dort aufzuwachsen. Erst nach der Geschlechtsreife wandern sie zurück in ihre ursprüngliche Heimat, um dort zu laichen und die nächste Generation an Lachsen auf die Welt zu bringen.
„Evolution im Zeitraffer“
Eigentlich bietet die Barentssee hervorragende Lebensbedingungen sowohl für die Lodde, die sich ohne Fischerei in außerordentlich großen Schwärmen zusammen findet, als auch für die Lachse, die den Fisch selbst gerne verzehren. So zählt der Salzwasserfisch zu den Hauptnahrungen der Lachse. Die Folgen einer Überfischung sind also nur logisch. Finden die Jungtiere nicht genug Nahrung, dann sind sie gezwungen, ihren Lebenszyklus anzupassen.
Die Veränderung findet im Erbgut statt, was auf eine evolutionäre Anpassung der Tiere hindeutet. Sie sorgt dafür, dass die Raubfische schneller Geschlechtsreife erlangen und eben nicht mehr weiter wachsen. „Menschliche Aktivitäten können einen mächtigen Selektionsdruck ausüben, der schnelle evolutionäre Veränderungen bei wild lebenden Arten zur Folge hat“, so die finnischen Biologen rund um Yann Czorlich in Science. So handele es sich um eine „Evolution im Zeitraffer“.
Mensch lässt der Natur keine Zeit
Die Beobachtungen könnten für die Evolutionsforschung im Allgemeinen von erheblicher Bedeutung sein. Bislang war man davon ausgegangen, dass genetische Veränderungen einen langen Zeitraum benötigen würden, um verstanden zu gehen. Gerade das Aufkommen des Menschen sorge allerdings dafür, dass den Tieren keine Zeit mehr bliebe, um lebensnotwendige Anpassungen vorzunehmen. Dies beschleunige die evolutionären Prozesse womöglich erheblich.
Eine Ironie bleibt bei dem Phänomen bestehen. So sind die Fangquoten für die Lodde oftmals auch deswegen so hoch, weil sie als Fischfutter benötigt wird – für Lachse, die in Aquakulturen aufgezogen werden.
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