Damit sich eine Krebserkrankung im Körper ausbreiten kann, finden die Tumore immer wieder Wege, um der Immunantwort zu entgehen. Dabei zapfen sie sogar die Energieversorgung der Immunzellen an.
Krebszellen rauben Immunsystem die Energie
Um den Attacken des Immunsystems zu entkommen, nutzen Krebszellen eine Vielzahl von Verteidigungsmechanismen. Dass sie dabei auch den angreifenden Immunzellen mithilfe von winzigen Tentakeln Energie entziehen, hat jetzt ein Team von Forschern um den Mediziner Shiladitya Sengupta der Harvard Medical School herausgefunden.
Sie kultivierten zusammen mit Wissenschaftlern des Brigham and Women’s Hospital Krebszellen mit Immunzellen und beobachten diese mithilfe von Nanotechnologien. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler im Fachjournal „Nature„.
Dass manche Zellen röhrenartige Strukturen bilden können, die Mikro- oder Nanotubuli genannt werden, ist schon länger bekannt. Durch diese können sich Zellen miteinander verbinden und Bestandteile austauschen. So können auch Mitochondrien, die „Kraftwerke“ der Zelle, übertragen werden. Als die Forscher anhand von Elektronenmikroskopie die Interaktion zwischen Brustkrebs- und Immunzellen beobachten, konnten sie genau dieses Phänomen feststellen.
Krebszellen werden zu Dieben
Nachdem sie zufällig gesehen hatten, dass die Krebszellen winzige Verbindungen zu den Immunzellen aufbauten, färbten sie die Mitochondrien farbig ein. Dabei konnten sie den Diebstahl beobachten. Die Krebszellen zogen die Energieversorger der Abwehrzellen durch die Röhrchen zu sich und sichern so ihr Überleben gleich auf zwei Wege: durch das Schwächen der Körperabwehr durch das Entziehen von Energie und dem Sichern des eigenen Überlebens durch bessere Versorgung.
Hae Lin Jang, PhD und einer der führenden Forscher der Studie, äußerte sich gegenüber Eurekalert zu dem Fund: „“Durch die sorgfältige Erhaltung der Zellkulturbedingungen und die Beobachtung der intrazellulären Strukturen sahen wir diese zarten Nanoröhrchen, die den Immunzellen die Energiequelle raubten. Es war sehr aufregend, weil diese Art von Verhalten noch nie zuvor bei Krebszellen beobachtet worden war. Dies war ein schwieriges Projekt, da die Nanoröhren zerbrechlich sind und wir die Zellen sehr vorsichtig behandeln mussten, um sie nicht zu zerstören.“
Der Hauptautor der Studie, Shiladitya Sengupta, erklärt die Signifikanz ihrer Entdeckung gegenüber Eurekalert: „Krebs tötet, wenn das Immunsystem unterdrückt wird und Krebszellen metastasieren können und es scheint, dass Nanoröhrchen ihnen helfen können, beides zu tun. Dies ist ein völlig neuer Mechanismus, mit dem Krebszellen das Immunsystem umgehen und er gibt uns ein neues Ziel, das wir anvisieren können.“
Hemmung von Nanoröhrchen könnte Tumorwachstum verlangsamen
Die entdeckten Röhrchen zwischen den Zellen sind winzig und ihr Durchmesser misst nur ein Bruchteil der Dicke eines menschlichen Haares. Um herauszufinden, ob diese Beobachtung auch im Körper stattfindet, injizierte das Team verschiedene Krebszellen unter die Haut von Labormäusen. Nach 8 Tagen konnten sie in den Tumorzellen die entwendeten Mitochondrien ihrer Wirte nachweisen. Nach dem Spritzen einer Chemikalie, welche die Ausbildung dieser Röhrchen verhinderte, ging das Tumorwachstum deutlich zurück.
Die neue Entdeckung lässt auf die Entwicklung neuer Medikamente hoffen. Tanmoy Saha, Forscher des Center for Engineered Therapeutics, äußerte sich zum Ansatz: „Eines der Ziele in der Krebsimmuntherapie ist es, Kombinationen von Therapien zu finden, die die Ergebnisse verbessern können. Unsere Beobachtungen deuten darauf hin, dass ein Hemmstoff für die Bildung von Nanoröhrchen mit Krebsimmuntherapien kombiniert und getestet werden könnte, um zu sehen, ob er die Ergebnisse für die Patienten verbessern kann.“
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