Während Erinnerungen an belanglose oder normale Situationen oft verblassen, speichern Menschen stressige Situationen und Erlebnisse oft sehr präzise ab. Ob Prüfungssituationen, Unfälle oder andere unangenehme Momente – die Erinnerungen sind oft selbst nach langer Zeit noch sehr detailliert und klar vorhanden. Woran das liegt, haben Forscher der Ruhr-Universität Bochum jetzt in einer experimentellen Studie untersucht und die Ergebnisse veröffentlicht.
Erinnerungen an Stress sind meist sehr klar
Während die normalen Erlebnisse eines Tages oft schon kurz danach vergessen sind, können sich Menschen oft Jahre später noch an kleinste Details ihrer stressigen Erfahrungen erinnern. Kleinigkeiten wie Uhrzeit, Wetter oder Klamotten sind in der Erinnerung auch lange Zeit später noch klar vorhanden, während es schwierig sein kann, sich an das Abendessen von gestern zu erinnern.
Doch was ist der Grund, dass diese Situationen besser abgespeichert werden? Ein Forscherteam um Anna Bierbrauer, Professor Oliver Wolf und Professor Axmacher hat genau das in einer experimentellen Studie untersucht. Die Wissenschaftler des Instituts für kognitive Neurowissenschaften der Ruhr-Universität Dortmund, hoffen durch ihre Erkenntnisse Traumata und psychologische Störungen besser zu verstehen.
Für ihre Untersuchung nutzen die Forscher den sogenannten Trier-Social-Stress-Test. Hierbei mussten die Teilnehmer ein Vorstellungsgespräch mit zwei der Wissenschaftler führen. Während sie den Teilnehmern die Fragen stellten, verzogen die Wissenschaftler keine Miene und gaben kein positives Feedback. Auch wurden die Probanden demonstrativ gefilmt, um das Stress-Level zu erhöhen. In dem Raum, in dem die Simulation stattfand, waren 26 alltägliche Gegenstände platziert, an welche sich die Teilnehmer später erinnern sollten. Einer Kontrollgruppe wurden die gleichen Gegenstände gezeigt, allerdings in einem stressfreien lockeren Gespräch.
In der Vergangenheit wurden verschieden Theorien entwickelt, die das bessere Abspeichern der Stresssituationen erklären sollen. „Eine Idee war, dass unterschiedliche Repräsentationen von Erinnerungen der Schlüssel zu leistungsfähigen Erinnerungen gewesen sein könnte, andererseits gab es Hinweise darauf, dass sich Stresssituationen stärker ähnelten“, erklärt Anne Bierbrauer in einer Pressemitteilung der Ruhr-Universität. Den Forschern zu Folge stützt ihre Studie eher die zweite Theorie.
Stress scheint bestimmte Erinnerungsmuster zu verursachen
Vor dem Versuch untersuchten die Wissenschaftler mithilfe eines MRTs die Amygdala im Gehirn der Probanden, welche unter anderem in emotionales Lernen involviert ist. Sie zeigten die Probanden die Gegenstände, welche sie während der Simulation im Raum hatten und Gegenstände, die nicht im Raum zu finden waren. Dann verglichen sie die neuronalen Reaktionen auf den MRT-Bildern. So fanden sie heraus, dass sich die Spuren der Erinnerung der benutzen Objekte stärker ähnelte, als bei den unbenutzten. Die Kontrollgruppe zeigte dieses Muster nicht.
Am darauffolgenden Tag zeigten die Forscher den beiden Gruppen sowohl Fotos der Wissenschaftler, die im Vorstellungsgespräch beteiligt waren und Fotos von den Objekten, die sich im Raum befanden. Es zeigte sich, dass sich die Probanden vordergründig an Objekte erinnerten, welche eine ähnliche Reaktion auslösten, wie das Betrachten der Fotos der Wissenschaftler. „Die Komitee-Mitglieder lösten im Vorstellungsgespräch Stress aus. Es scheint also, dass die Verbindung zwischen den Objekten und den Stressauslösern ausschlaggebend für die verbesserte Erinnerung war“, kommentiert Nikolai Axmacher die Ergebnisse in der Mitteilung.
Aus der Studie konnten die Forscher den Rückschluss ziehen, dass die Erinnerungen auf neuronaler Ebene mit dem Stressor verbunden werden und damit besser im Gedächtnis bleiben. Bierbrauer äußerte sich dazu: „Dieses Ergebnis könnte ein wichtiger Baustein sein, um emotionale und traumatische Erinnerungen besser zu verstehen.“
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