Muss die Geschichte des Universums umgeschrieben werden? Beobachtungen des James Webb Space Teleskops könnten bisherige Theorien über die Formung von Galaxien auf den Kopf stellen und das klassische Verständnis, dass Schwarze Löcher erst nach den ersten Sternen und Galaxien entstanden sind, herausfordern.
Schwarze Löcher bereits im frühen Universum präsent und aktiv
Die Analyse der James Webb-Daten legt nahe, dass Schwarze Löcher nicht nur existierten, als die ersten Sterne und Galaxien entstanden, sondern auch die Geburt neuer Sterne in den ersten 50 Millionen Jahren beschleunigten und die Bildung von Galaxien maßgeblich beeinflussten. „Wir wissen, dass diese Monster-Schwarzen Löcher im Zentrum von Galaxien in der Nähe unserer Milchstraße existieren, aber die große Überraschung ist jetzt, dass sie auch zu Beginn des Universums vorhanden waren und fast wie Bausteine oder Samen für frühe Galaxien waren“, so Hauptautor Joseph Silk, Professor für Physik und Astronomie an der Johns Hopkins University in einer Pressemitteilung.
Die internationale Forschergruppe aus US-amerikanischen und israelischen Astronomen argumentiert in den Astrophysical Journal Letters, dass Schwarze-Loch-Ausflüsse Gaswolken zerquetscht und in Sterne verwandelt haben, wodurch die Rate der Sternenbildung erheblich beschleunigt wurde. „Sie haben wirklich alles angekurbelt, wie gigantische Verstärker der Sternentstehung, was eine völlige Umkehrung dessen ist, was wir bisher für möglich hielten – so sehr, dass dies unser Verständnis davon, wie sich Galaxien bilden, völlig umkrempeln könnte“, so Silk. Ein solcher Prozess könnte erklären, warum die ersten Galaxien so viel heller sind als erwartet.
Laut den Astrophysikern erlebte das junge Universum zwei Phasen. In der ersten Phase beschleunigten Hochgeschwindigkeitsausströmungen von Schwarzen Löchern die Sternentstehung, und in einer zweiten Phase verlangsamten sich die Ausströmungen. Einige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall kollabierten die Gaswolken aufgrund der magnetischen Stürme der supermassiven Schwarzen Löcher, und neue Sterne wurden mit einer Geschwindigkeit geboren, die weit über der liegt, die Milliarden Jahre später in normalen Galaxien beobachtet wurde. Die Sternentstehung verlangsamte sich demnach erst, weil diese mächtigen Ausströmungen in einen Zustand der Energieerhaltung übergingen, wodurch das für die Bildung von Sternen in Galaxien verfügbare Gas reduziert wurde.
Genauere Erkenntnisse schon in einem Jahr erwartet
„Wir dachten, dass sich Galaxien am Anfang bildeten, als eine riesige Gaswolke kollabierte“, so Silk. „Die große Überraschung ist, dass es in der Mitte dieser Wolke einen Keim gab – ein großes schwarzes Loch -, der dazu beitrug, dass sich der innere Teil dieser Wolke schnell in Sterne verwandelte, und zwar in einem Tempo, das wir nie erwartet hatten. Und so sind die ersten Galaxien unglaublich hell“.
Die Forscher erwarten, dass zukünftige Beobachtungen des Webb-Teleskops mit präziseren Zählungen von Sternen und supermassiven Schwarzen Löchern im frühen Universum ihre Berechnungen bestätigen werden. Diese Beobachtungen sollen auch dazu beitragen, weitere Hinweise auf die Evolution des Universums zu liefern. „Die große Frage lautet: Was waren unsere Anfänge? Die Sonne ist nur einer von 100 Milliarden Sternen in der Milchstraßengalaxie, und in der Mitte befindet sich ein riesiges schwarzes Loch. Was ist die Verbindung zwischen den beiden?“, so Astrophysiker Silk. „In einem Jahr werden wir viel bessere Daten haben, und viele unserer Fragen werden sich beantworten lassen“.
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