Windanlagen im offenen Meer haben offenbar einen größeren Einfluss auf die natürliche Umgebung als bisher gedacht. Wie eine neue Studie nun zeigt, lässt sich dies sogar physikalisch belegen. Durch die sogenannten Wirbelschleppen verändere sich demnach sowohl die Strömung als auch die Schichtung der Meeresoberfläche, was seinerseits ein Effekt auf den Salzgehalt hat. Dies könnte potenziell durchaus auch ökologische Folgen haben, auch wenn die natürlichen Bewegungen im jährlichen Verlauf noch deutlicher ausfallen.
Auswirkungen bis zu 70 km ins Meer
Wie das Wissenschaftsmagazin Scinexx berichtet, ist allein im deutschen Teil der Nordsee einiges in Planung. Hier sollen in baldiger Zukunft Offshore-Windparks entstehen, die die Kapazität der erneuerbaren Energien von 50 auf bis zu 70 GW erhöhen soll. Nun sollten die Verantwortlichen jedoch die neuesten Erkenntnisse des Helmholtz-Zentrum Hereon in Geesthacht mit in ihre Pläne einbeziehen. Da jede einzelne Turbine ein wenig Wind aus der Luft nimmt, muss ein gewisser Abstand zwischen den Anlagen einkalkuliert werden.
Die Forscher wollten daher wissen, inwiefern die Luftströme auch direkt die Meeresoberfläche beeinflussen. Hierfür verwendeten sie Messdaten und ein geophysikalisches Modell. Als Grundannahme der Studie lag bereits die Erkenntnis vor, dass Wirbelschleppen hinter Windrädern bis zu 70 km weit reichen können.
„Dieser Wirbelschleppen sind charakterisiert durch verringerte Windgeschwindigkeit und eine erhöhte Luftturbulenz im Bereich dieses Defizits“, so die Wissenschaftler rund um den Physiker Nils Christiansen. Diese Gebiete haben offenbar auch eine direkte Veränderung der Wasseroberfläche vorzuweisen. Der Effekt ist groß genug, um die Strömungen in dem betroffenen Areal zu verändern. Trotz einer scheinbar geringen Varianz von lediglich 0,0025 m/s ist dieser Effekt messbar und beträgt laut Forschungsteam 10-25 % der natürlichen Schwankung im Jahr
Meeresoberfläche erwärmt spürbar
Dadurch, dass weniger Wind das Wasser durchmischen kann, fehlt auch der aktive Austausch der unterschiedlichen Wasserschichten in der Nähe der Oberfläche. „Die positiven und negativen Veränderung der Oberflächensanitäter reichen von den Windparks mehrere Dutzend Kilometer aufs Meer hinaus“, so die Forscher weiter. Auch die Temperatur erhöht sich dadurch leicht. Messbar waren Effekte zwischen 0,02-0,05 °C. „In der Deutschen Bucht können Sie aber mehr als 0,1° C erreichen.“
Noch sind die genauen Folgen nicht absehbar. Trotz lediglich geringer Schwankungen dürften aber auch Auswirkungen auf den ökologischen Lebensraum der Meeresbewohner festzustellen sein. Dies hängt auch damit zusammen, dass die Auswirkungen einzelner Windräder noch weit in das freie Meer hinausreichen. Die Wissenschaftler vermuten, dass vor allem Planktongemeinschaften von den Windparks betroffen sein könnten. Um dies allerdings zu bestätigen, seien weitere Forschungen notwendig. „Es sind daher nun weitere Studien nötig, um die Auswirkungen auf marine Ökosysteme und Organismen in der Nordsee zu untersuchen“ so Christiansen.
(Frontiers in Marine Science, 2022; doi: 10.3389/fmars.2022.818501)
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