Als am 22. Juni ein Erdbeben der Stärke 5,9 den zentralen Osten Afghanistans erschütterte, war dies eines der tödlichsten Beben in der Region seit Langem. Das Beben und seine Nachbeben haben mehr als 1.000 Menschen getötet und Tausende von Häusern zerstört. Dabei ist immer noch nicht klar, wie sich die Umweltkatastrophe ereignen konnte. Forscher versuchen entsprechend nach wie vor, wichtige Details über das Ereignis herauszufinden, die ihnen helfen könnten, das Risiko künftiger Erdbeben in der Region einzuschätzen.
Nächste seismologische Station in 160 km Entfernung
Das Erdbeben ereignete sich um 1.24 Uhr Ortszeit in der Nähe der Stadt Khōst, die nahe der Grenze zu Pakistan liegt. In der Region gibt es jedoch nur wenige seismische Überwachungsstationen. Zudem haben Sicherheitsbedenken und Zugangsprobleme die Geologen ferngehalten. Infolgedessen war es schwierig, die genaue Stärke und Tiefe des Erdbebens zu bestimmen. „Wenn dieses Erdbeben in Europa stattgefunden hätte, wären wir sofort hingefahren – am Tag des Bebens“, sagt Sofia-Katerina Kufner, Geowissenschaftlerin am Karlsruher Institut für Technologie in Deutschland im Fachmagazin Nature. „Schnelligkeit ist so wichtig.“
Mittels mobiler seismischer Stationen wäre es möglich gewesen, die Nachbeben direkt zu untersuchen und genaue Details über den Ort des Ereignisses zu ermitteln. Die nächste Station zur Messung seismologischer Aktivitäten liegt allerdings im 160 km entfernten Kabul. Mangels seismischer Daten verlassen sich die Forscher jetzt auf Bilder aus dem Weltraum, um das Afghanistan-Beben zu untersuchen und herauszufinden, wo das nächste Beben stattfinden könnte. „Wir tun, was wir mit den Fernerkundungsdaten tun können, aber die Ergebnisse werden weit weniger präzise sein“, so Kufner.
Unklare tektonische Lage
Laut den Geologen sollen die Verwüstungen für ein Erdbeben der Stärke 5,9 ungewöhnlich sind. Die Ursache liegt wahrscheinlich in der großen Anzahl gefährdeter Gebäude in dem Gebiet sowie in der geringen Tiefe des Bebens, die auf weniger als 10 Kilometer geschätzt wird. Dies führte zu starken Erschütterungen in der Nähe der Erdoberfläche. Solch flache Erdbeben richten in der Regel mehr Schaden anrichten als tiefe Beben. Außerdem ist es wahrscheinlicher, dass sie Nachbeben auslösen, die die durch das erste Beben verursachte Zerstörung noch verstärken können.
Die verfügbaren seismischen Daten deuten darauf hin, dass das Erdbeben das Ergebnis einer horizontalen Bewegung war, bei der zwei Seiten einer Verwerfung gegeneinander gerieben wurden. Aus diesen Daten geht jedoch nicht hervor, wie und in welche Richtung sich der Bruch ausbreitete – Informationen, die dabei helfen würden, Gebiete zu identifizieren, die jetzt einem erhöhten Risiko von Beben ausgesetzt sind. Ein Problem ist zudem, dass das Erdbeben in einem tektonischen Gebiet stattfand, das ohnehin kaum bekannt ist, nämlich an der Grenze zwischen der indischen und der eurasischen Platte. In dieser Region gebe es laut Wissenschaftlern viele Unterverwerfungen und kleine, nicht kartierte Verwerfungsspuren, dass es schwierig ist, die genaue Verwerfungslinie zu identifizieren.
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