In Vietnam haben Biologen die kleinste Landschnecke der Welt entdeckt. Sie misst nur einen halben Millimeter, was sie kleiner als herkömmliche Sandkörner macht. Nun fragen sich die Forscher, aus welchem Grund das Tier so klein geworden ist. Die Suche nach den evolutionären Vorteilen einer solchen Größe hat bereits begonnen.
Entdeckung in Nordvietnam
Die neuentdeckte Angustopila psammion ist der Gruppe der Weichtiere zuzuordnen, die sowohl im Wasser als auch an Land leben können. Dabei zählen gerade Schnecken zu den artenreichsten Vertretern. Sie haben sich im Laufe der Jahrmillionen in verschiedene Formen und Farben gehüllt. Nun offenbart sich durch den neuen Fund eine ganz neue Größenordnung. Die Wissenschaftler vom Zentrum für Agrarforschung in Budapest haben das Tier im Rahmen einer Forschungsreise beim Sammeln von Sedimentproben unter Felsen und in Höhlen entdeckt. Dabei verhalfen sich die Biologen eines Tricks mit einem Wasserbehälter. Da Schneckenschalen leichter sind als Steine, schwimmen sie an der Oberfläche, während der Rest des Elements zum Boden des Behälters sinkt. Erst so konnten die hohlen Schneckenschalen überhaupt erkannt werden.
Der genaue Fundort ist im Norden Vietnams in den Cap-La-Höhlen anzusiedeln. Die Gehäuse waren durchschnittlich nur etwa 0,48 mm hoch und 0,6 mm lang. Die Merkmale der winzigen Schneckenhäuser waren so sonderbar, dass sie keiner bekannten Art zugeordnet werden konnten. So folgerten die Forscher, dass die Behausung einer neuen noch unbekannten Schnecke gehören müsse. Die geringen Maße machten die Angustopila psammion getaufte Art zur kleinsten Landschnecke der Erde.
„Sehr viel kleiner können die Tiere nicht werden“
„Es ist etwas ganz Besonderes, so einen Rekordhalter der Tierwelt zu entdecken – zumal dies bei der Größe natürlich nicht selbstverständlich ist“, so Co-Autorin Adrienne Jochum vom Naturmuseum Frankfurt gegenüber Wissenschaft.de. „Wir gehen davon aus, dass die Größe der von uns gefundenen Schnecke schon an der Untergrenze erwachsener Landschnecken liegt. Sehr viel kleiner können die Tiere nicht werden, da es eine bestimmte Anzahl von Neuronen geben muss, die eine Schnecke funktionsfähig machen. Zudem muss die Schneckenschale auch ausreichend Platz für mindestens ein Ei bieten.“
Warum das Tier im Laufe der Evolution so klein geworden ist, ist indes noch unbekannt. „Am plausibelsten erscheint, dass die winzigen Schnecken zuvor unbesetzte Nische nutzen können – aufgrund ihrer Größe können Sie sowohl in engen Räumen nach Nahrung suchen als auch Nahrungskette gefressen, die für größere Tiere nicht interessant sind“, so Jochum, die auch am Senckenberg Forschungsinstitut aktiv ist. „Zudem bietet die kleine Gestalt den Schnecken den Vorteil, sich vor ihren Fressfeinden zu verstecken. Oft sind sie sogar so klein, dass sie als Nahrung nicht interessant sind.“
Gattungsgleiche Schnecke schmückt sich mit Kot
Die kleinste der Landschnecken ist jedoch nicht der einzige interessante Fund der Forschungsreisenden. Die Angustopila coprologos, die der gleichen Gattung zuzuordnen ist, ging den Wissenschaftlern ebenfalls ins Netz. Sie fällt in erster Linie durch einen besonderen Schmuck ihrer Schale auf. So formt sie mithilfe kleinster Kotkörner aus bisher unbekanntem Grund ein strahlenförmiges Muster.
Ein solches Verhalten legen Landschnecken im Normalfall nur an den Tag, um sich mithilfe von Rinde, Flechten, Partikeln oder Lehm zu tarnen. „Solch eine optische Tarnung ergibt bei den extrem kleinen Schnecken, die in Kalksteinspalten leben, aber keinen Sinn“, so Jochum. Die Biologin vermutet, dass der Hintergrund des Kotschmucks der Partnersuche dient. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Forscher im Fachmagazin Contributions to Zoology.
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