Edgar L. Gärtner
Zur Jahreswende hat der Kernreaktor Philippsburg II in der Nähe von Karlsruhe die Elektrizitätserzeugung eingestellt. Damit schreitet Deutschland planmäßig weiter in Richtung auf den im Jahre 2011 nach dem Reaktorunglück von Fukushima von der Politik beschlossenen vollständigen „Ausstieg“ aus der Nutzung der Kernenergie bis zum Jahre 2022. Ersetzt wird nun wohl fürs erste die im Bundesland Baden-Württemberg fehlende Grundlast-Kapazität durch Importe von Kernkraftwerk Fessenheim im Elsass. Die deutschen Reaktorbau- Nuklearbrennstoff-Firmen, die einmal im Ruf standen, die sichersten Kernkraftwerke der Welt bauen zu können, mussten Ganze Abteilungen schließen. Staatliche Kernforschungszentren bei Karlsruhe, Jülich und München wurden geschlossen beziehungsweise für andere Aufgaben umgebaut. So könnte man zum Eindruck gelangen, dass eine auf diesem Gebiet einstmals führende Nation in Sachen Nuklearforschung Tabula rasa gemacht hat. Doch dieser Eindruck trügt zumindest teilweise.
Im vergangenen November wies die deutsche Bundesregierung in ihrer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Bundestagsfraktion DIE LINKE (Bundestagsdrucksache 19/15023) selbst darauf hin, das internationale Unternehmen URENCO, an dem die deutschen Energiekonzerne RWE und E.ON zu einem Drittel beteiligt sind, an interessanten Projekten weiterforscht. Neben den beiden deutschen Konzernen sind britische und niederländische Partner an URENCO beteiligt. Im Vordergrund steht dabei die Entwicklung eines Modularen Mikro-Reaktors (MMR), genannt U-Battery. Die Bundesregierung bestätigt in ihrer Antwort, dass das U-Battery Consortium unter Beteiligung der Firma URENCO Ltd. am Standort Chalk River (Kanada) einen Prototyp des auf 4 Megawatt ausgelegten U-Batterie Small Modular Reactors (SMR) entwickelt wird. Das Projekt wurde im Jahre 2008 begonnen. Das Design wurde außerhalb Deutschlands u.a. an der Universität Manchester, dem Dalton Institut im Vereinigten Königreich und der Technischen Universität in Delft entwickelt.
Kanada hat wiederholt und zuletzt am Rande der Vorbereitungskonferenz zur Überprüfung des Nichtverbreitungsvertrages im Mai 2019 hohes Interesse an dem Einsatz von U-Batterien zur netzunabhängigen Versorgung entlegener Gebiete bekundet. Des Weiteren soll die U-Batterie dort die bisherige Stromversorgung durch Diesel-Generatoren ersetzen. Mit der Fertigstellung eines Prototyps und Referenzanlage wird nicht vor 2026 gerechnet. Die kanadische Regulierungsbehörde und Atomaufsicht Canadian Nuclear Safety Commission (CNSC) ist bei den Entwicklungsarbeiten eingebunden. Für diesen Reaktor soll der sogenannte TRISO-Brennstoff eingesetzt werden, der aus der Verwendung bei Hochtemperaturreaktoren (HTR) bekannt ist. Das U-Battery-Konzept sieht vor, Standard-TRISO-Brennstoffpartikel zu Brennstoffstangen (Compacts) zu pressen, welche dann in hexagonale prismatische Brennelementblöcke aus Graphit eingesetzt werden (Min Ding et al., Design of a U-Battery, TU Delft, PNR-131-2011-014, 2011).
Außerdem hat URENCO jüngst angekündigt, einen als HALEU (High Assay Low Enriched Uranium) bezeichneten neuartigen Uran-Brennstoff entwickeln zu wollen, der bei einem Anreicherungsgrad von nur knapp unter 20 Prozent des spaltbaren Uran-235 fast atomwaffenfähig sein wird (vgl. https://uren co.com/news/articles/urenco-usa-inc-announces-next-step-haleu-activities). Die damit verbundene Gefahr der nuklearen Proliferation war der Grund für die parlamentarische Anfrage der Linken. Die Bundesregierung wies demgegenüber darauf hin, dass der zwischen Deutschland, den Niederlanden und Großbritannien abgeschlossene Vertrag von Almelo dem vorbeugen soll.
Hier interessiert jedoch vor allem die Tatsache, dass die deutsche Nuklearforschung nach dem auf Druck der Partei DIE GRÜNEN angeordneten „Atom-Ausstieg“ nicht gänzlich gestoppt wurde. Vielmehr beteiligen sich deutsche Firmen an der Entwicklung viel versprechender neuer Reaktor- und Brennstoffkonzepte wie SMR. Auf diesem Gebiet tummeln sich zurzeit weltweit etliche Start-ups, die sich mit URENCO einen heftigen Wettbewerb liefern. Dabei zeichnet es sich schon heute ab, dass bleigekühlte Reaktoren mit flüssigen Brennstoffen viel effizienter arbeiten können als Reaktoren mit Festbrennstoffen. Das wird Gegenstand eines weiteren Beitrags sein.
Sehr geehrter Herr Gärtner,
nachdem ich Ihren Artikel gelesen habe, hätte ich folgende Fragen an die
Fachleute:
Könnte man eventuell aus ausgedienten Brennelementen von Atomkraft-
werken noch elektrischen Strom gewinnen?
Diese Brennelemente geben ja meines Wissens noch tausende von Jahren Alfa-Beta-und Gammastrahlung ab. Wenn man nun diese Reststrahlung in
sichtbares Licht ( eventuell mittels Leuchtstoffröhren ) umwandeln könnte
und damit Silizium-Solarzellen bestrahlen würde ?
Oder könnte man vielleicht Halbleiter-Zellen entwickeln, die diese extrem kurzwellige Stahlung direkt in Strom umwandeln ?
Wäre es Ihnen möglich, meine Fragen ( Ideen ) an interessierte Forscher oder Wissenschaftler weiterzuleiten, falls es diese Überlegungen in dieser
Richtung noch nicht gegeben haben sollte ?
Mit freundlichen Grüßen
Georg Parchent
( Techniker & Hobbyforscher )
Sehr geehrter Herr Parchent,
ich danke Ihnen für Ihre Anfrage. Da ich mich zurzeit mit anderen Themen beschäftige, kann ich sie erst nach Rücksprache mit Fachleuten beantworten. Ich habe ja am Ende meines Beitrags von vor über zwei Jahren einen weiteren Beitrag zu diesem Thema angekündigt. Dieser beschäftigte sich mit dem Dual-Fluid-Reaktor, den es aber bislang nur als Blaupause bzw. am Bildschirm gibt. Zurzeit halte ich diese Entwicklung, die ja nun Gestalt anzunehmen scheint, da sie in Kanada mit ausreichender Finanzierung verfolgt wird, für sehr interessant, da dieser Reaktortyp aus allen spaltbaren Elementen vom Thorium aufwärts Energie gewinnen kann, d.h. auch aus radioaktiven Abfällen. Ob der von Ihnen formulierte Vorschlag umsetzbar ist, kann ich selbst nicht beurteilen.