Das Projekt rund um die Ostseepipeline wird kontrovers diskutiert. Erst diese Woche verkündeten mehrere US-Senatoren, die Sanktionen gegen das Erdgasprojekt erheblich verschärfen zu wollen. Fernab geopolitischer Auseinandersetzungen konstatieren Wissenschaftler des Beratungsunternehmens Frontier Economics und des Kölner Instituts Ewi, dass Nordstream 2 Vorteile für Europa nach sich ziehen würde.
Im Jahr 2010 stammte noch etwa die Hälfte des europäischen Gasverbrauchs aus der heimischen Produktion. Acht Jahre später waren es nunmehr 25 Prozent. Die Autoren der Studie gehen davon aus, dass der Gasbedarf Europas künftig noch weiter ansteigt. Dies sei vor allem deshalb problematisch, weil die Gasgewinnung innerhalb des Staatenverbundes im Gegenzug sinke. Insbesondere der Rückgang des niederländischen Gasfeldes Groningen führe zu weiteren Engpässen.
Die Nord Stream 2 Pipeline senke die Gaspreise in Europa, so das Ergebnis der Forscher. Der Kostenrückgang sei darüber hinaus in dem gesamten Binnenmarkt spürbar. Auf Grundlage mathematischer Modelle gehen sie davon aus, dass der Gaspreis in der EU bis zum Jahr 2030 um 0,77 Euro/MWh sinke. Ein wichtiger Faktor für die Kosteneinsparung sei die Tatsache, dass sich Europa vergleichsweise teure LNG-Lieferungen zu Teilen sparen könne. „Selbst wenn man den russischen Exportzoll in Höhe von etwa 30 Prozent des Verkaufspreises berücksichtigt, liegen die Gesamtkosten von russischen Pipeline-Importen unterhalb denjenigen von vielen LNG-Exportländern“, wie es in der Analyse heißt.
Forscher dementieren negative Effekte
Unterdessen verneinen die Autoren Vorwürfe hinsichtlich negativer Auswirkungen auf Zentral- und Osteuropa. Vielmehr profitiere die EU als Gesamtes – selbst dann, wenn die neue Pipeline zu einer Verdrängung der bisherigen Pipelines führen würde, wie es heißt. Vielmehr leiste Nord Stream 2 einen „positiven Beitrag zur Versorgungssicherheit mit Energie“ und schade dem Wettbewerb nicht, sondern nutze der europäischen Wirtschaft und Gesellschaft.
Allerdings werden die Pläne längst nicht von allen Akteuren positiv bewertet. Insbesondere Umweltschützer kritisieren das Vorgehen scharf. So ist es unter anderem die Deutsche Umwelthilfe, die den Bau der Erdgasleitung stoppen möchte. Diese argumentiert, dass eine Neubewertung erfolgen müsse, da insbesondere weitere Untersuchungen zu Methan-Leckagen vonnöten wären. Rechtsanwältin Cornelia Ziehm konstatiert, dass es „nach aktuellen Erkenntnissen mindestens erhebliche Hinweise darauf gebe, dass die Methanemissionen der Gasförderung in Europa und Russland tatsächlich höher sind, als bisher angenommen“. Die Klimabilanz von Erdgas sei noch nicht hinreichend untersucht. Die Deutsche Umwelthilfe plane daher, juristisch gegen Nord Stream 2 vorzugehen.
Komplizierte Gemengelage
Noch ist ungewiss, wie es mit Nord Stream 2 genau weiter geht. Ursprünglich sollte die Pipeline bereits seit Monaten fertiggestellt sein. Der Druck unterschiedlicher Akteure führte allerdings bereits häufig zu temporären Bau-Unterbrechungen – insbesondere seitdem die Vereinigten Staaten von Amerika im Dezember des vergangenen Jahres allen beteiligten Unternehmen mit Sanktionen drohten. Zumindest in finanzieller Hinsicht könnte sich das Projekt als gewinnbringend für Europa erweisen. Ob die europäische Staatengemeinschaft dem Druck wird standhalten können, wird sich indes erst noch zeigen müssen.
Bild: Samuel Bailey/Wikimedia Commons